Der Eissturm

Früher wussten Spiegel-Leser, wie es heißt, mehr. Aber da war bekanntlich gleich alles besser. Trotzdem kann es auch heute noch ab und an vorkommen, dass „Deutschlands führende Nachrichtenseite“ (so die aktuelle Selbstdarstellung) in ihren Briefings ganz hübsche Kurzschlüsse produziert. Denn zur einsetzenden Kältewelle in den USA – wie Präsident Biden es fasst: „Das ist nicht einfach ein verschneiter Tag, wie aus der Kindheit. Das ist ernst“ – fällt Wolfgang Höbel aus dem Kulturressort als erstes Ang Lees „Der Eissturm“ aus dem Jahr 1997 ein. Und das kann nie ganz falsch sein. Mehr lesen

Vom Rauschen der Jahre

Noah Baumbachs Don DeLillo-Adaption „Weißes Rauschen“ schließt aufs Schönste Alejandro G. Iñárritus „Bardo“ an. Fast wirkt es, als habe Netflix nicht nur im Doppelpack zeigen wollen, wozu seine Budgets bei der Inszenierung von Massenszenen und Ausstattung in der Lage sind. Vielmehr ergänzen sich die Entwürfe zu einem großen All-American-Picture, das obsessiv das Menschheitsthema der Angst vor dem Tod sowie allerlei kollektive wie individuelle Reaktionen darauf umkreist. Mehr lesen

Sonne, Stars und Bestenlisten

In einem Jahr, in dem wirklich kaum etwas gut war, konnte wenigstens übers Kino nicht geklagt werden. Angefangen von Joel Coens „The Tragedy of Macbeth“ im Januar über Julian Radlmaiers Wonnemonat-Mai-Beitrag „Blutsauger“ bis zu Iñárritus „Bardo“ aus dem Dezember gab es ein lange Reihe veritabler Highlights. Und nun kommt mit Kurdwin Ayubs bereits auf der Berlinale gefeiertem Debut „Sonne“ ein weiterer formal wie inhaltlich überzeugender Hit in die Kinos. Mehr lesen

Kannibalen und Spinner

Vom Verlorensein des Heranwachsens lässt sich auf ganz unterschiedliche Arten erzählen. Luca Guadagnino hat sich vor allem mit „Call me by your Name“ als Meister dieses Fachs erwiesen. Auch im aktuellen Wurf „Bones and All“ umkreist er einfühlsam eine aufkeimende Liebe. Diesmal jedoch sind die Protagonisten keine wohlsituierten Akademikersprößlinge, sondern gehören der ländlichen weißen amerikanischen Unterklasse an. Erschwert wird ihr sowieso nicht ganz einfaches white trash-Dasein zusätzlich durch eine weitere Besonderheit: Sie sind „Esser“. Durch den ererbten Hunger nach Menschenfleisch sind sie als schlechthin anders und nicht akzeptabel gebrandmarkt. Mehr lesen

Unscharfe Ränder, brennende Scheinwerfer

Mit „Bardo – Die erfundene Chronik einer Handvoll Wahrheiten“ kehrt Alejandro G. Iñárritu nach sieben Jahren auf die große Leinwand zurück. Von der internationalen Filmkritik nach der Premiere in Cannes des überbordenden Narzissmus gescholten ist sein Film eine tripartige Achterbahnfahrt an den Rändern von Bewusstsein, Kunst und Leben. Ein seltenes Meisterwerk – und das erste Kapitel eines so großen wie wahrscheinlich zufälligen Netflix-All-American-Movie. Mehr lesen

Verdichtung statt Spektakel

Die Entführung Jan Philipp Reemtsmas im Jahr 1996 ist einer der spektakulären Kriminalfälle in der Geschichte der Bundesrepublik. Das Entführungsopfer selbst hat seine Erinnerungen an die Zeit der Gefangenschaft in seinem Buch „Im Keller“ geschildert. 2018 machte sein Sohn Johann Scheerer sein damaliges Erleben unter dem Titel „Wir sind dann wohl die Angehörigen“ öffentlich. Diesen Blick durch die Augen eines Heranwachsenden aufs Geschehen hat nun Hans-Christian Schmid verfilmt. Mehr lesen