Früher wussten Spiegel-Leser, wie es heißt, mehr. Aber da war bekanntlich gleich alles besser. Trotzdem kann es auch heute noch ab und an vorkommen, dass „Deutschlands führende Nachrichtenseite“ (so die aktuelle Selbstdarstellung) in ihren Briefings ganz hübsche Kurzschlüsse produziert. Denn zur einsetzenden Kältewelle in den USA, die über Weihnachten Temperaturen bringen soll, die Menschen binnen Minuten erfrieren lassen – oder wie Präsident Biden es fasst: „Das ist nicht einfach ein verschneiter Tag, wie aus der Kindheit. Das ist ernst“ – fällt Wolfgang Höbel aus dem Kulturressort als erstes Ang Lees „Der Eissturm“ aus dem Jahr 1997 ein.

Richtig daran ist in jedem Fall: Es lohnt immer, sich diesen Blick zurück auf die gehobene weiße US-amerikanische Mittelklasse in ihrer kulturellen, familiären und sexuellen Zerrüttung in den Siebzigern aufs Neue vor Augen zu führen. Zum Beispiel, um gerade zur Weihnachtszeit wieder zu bemerken, dass emotionale Vergletscherung kein ganz neues Phänomen ist. Und sich grandios in Filmbilder umsetzen lässt; vorausgesetzt, es gibt einen Regisseur, der sich so hervorragend darauf versteht, seine an Tschechow erinnernden Figuren in ihrem Tun und Hadern wie durch eine transparente Eisschicht zu beobachten, ohne seine Sympathie für sie zu verraten. Wobei zahlreiche Handlungsstränge gleichzeitig im Spiel gehalten und zuletzt in eindrücklichem Klirren zusammengebracht werden.

Tatsächlich immer noch ein riesiger kleiner Film, der mit 18 Millionen Dollar Produktionskosten noch als „Indie“ durchgeht, und neben großen Darstellern wie Kevin Kline, Sigourney Weaver und Joan Allen mit frühen Performances von Tobey Maguire, Christina Ricci und Elijah Wood aufwartet. Das kann schon mehr als Paul Thomas Andersons Licorice Pizza, die gerade in überraschend vielen Bestenlisten dieses Jahres auftaucht.

Wem nach mehr Wärme an Weihnachten ist …

… der kann selbstverständlich auch auf MUBI Harmony Korines „Spring Breakers“ von 2012 anschauen. Der wurde seinerzeit zwar hier auf der Seite nicht zu unrecht komplett verrissen. Aber immerhin muss man ihm bei allem verschämt exploitativem Gebaren doch zugute halten, dass er mit seinen Protagonistinnen mitfühlt. Und Kameramann Benoît Debie gelingen durchaus tolle Einstellungen verwaister Campusarchitekturen, amerikanischer Verkehrsinfrastrukturen und – okay – alkohol- und hormongesteuerter Party-Massen.