Es passt in vielerlei Hinsicht. Der Giallo ist tot. Das erotisch aufgeladene italienische Horror-Genre funktioniert nicht in Zeiten, in denen Wokeness wichtiger ist als Klassenbewusstsein (zum Beispiel).

Tod und Gewalt farbenfroh und mit viel Schauwert auszustellen, geht außerdem nicht, wenn im Donbass Schlachten geschlagen werden, die nach den Aussagen des ukrainischen Präsidenten Selenskjy zu den gewalttätigsten der europäischen Geschichte zählen. (Und die ist an Gewalttätigkeit ja nun wirklich kaum zu schlagen. Ein eindrückliches Feature hat hier die New York Times zu bieten, die sich fragt, „Who will remember the Horrors of Ukraine?“ Das erörtert sie anhand russischer Raketeneinschläge in Babyn Yar, die das Grauen der NS aus dem Zweiten Weltkrieg mit denen des vom Papst gerade so genannten Dritten Weltkriegs miteinander überblenden.)

Selbstverständlich gibt es am Giallo auch unabhängig von geschichtlichen Entwicklungen, die selbst Altmeister Dario Argento beim Drehen nicht vorhersehen konnte, einiges zu kritisieren. Vor allem seine ihm tief in die DNA eingeschriebene Misogynie.

Der Giallo – Malerei auf der Leinwand

Auf der anderen Seite ist der Giallo das Genre der Farben und ihres schwelgerischen Einsatzes schlechthin. Benannt ist er nach der letteratura gialla, gelben Heftchen mit leicht konsumierbaren Thrillern, die ihre Blütezeit Mitte des 20. Jahrhunderts erlebten, bevor das Genre in den 1960er Jahren auch die Kinos eroberte. Hier badeten diese Filme in wahren Farbräuschen aus nächtlichem Blau, gaslichtigem Gelb und – vor allem – blutigem Rot.

Ihre alptraumhafte Struktur bedienten sie kompromisslos und ohne große Konzessionen an Logik oder Finesse. So verbanden sie sich direkt mit einem kollektiven ES. Verweise auf die Psychoanalyse winkten an allen Ecken. Dadurch wurden sie auch für intellektuellere Filmfans konsumierbar. Mit aktuelleren Reanimationen habe ich mich immer wieder auf diesem Blog oder für den Dschungel beschäftigt. Denn selbstverständlich lieferte der bunte Link ins Sexpositive auch Anschlüsse an zeitgemäße Konzepte von Körperlichkeit. Gerade, wenn sie auch die Bedingungen ihrer Behandlung im Film thematisierten.

Über „Dark Glasses“, den ersten Argento nach einer Wartezeit von zehn Jahren, zu sprechen, lohnt leider kaum. Auch als eigentlich willkommenes Alterswerk muss er sich ganz schön strecken, um wenigstens eine Laufzeit von anderthalb Stunden gerade so zu füllen. Dabei fängt er toll an. Aber dann … Für Kunst und Film habe ich hier eine Rezension geschrieben.