Im Theoriegemenge

Wenn alle Hoffnung in der ökonomischen Vernunft und ihren Netzwerken liegt, wenn „das Soziale“ praktisch nicht mehr existiert, rettet es die Welt sicher auch nicht mehr, ob ich im Bioladen oder beim Discounter einkaufe, Fahrrad oder Auto fahre, vegane oder tierische Proteine zu mir nehme oder mein „symbolisches Kapital“ mittels kosmetischen Selbstdesigns vermehre. Mein Körper, eingespeist als Datenmenge in globale Netzwerke und Krankenkassendatenbanken, gehört mir sowieso nicht mehr. Die Frage ist nur, wie lange es mir noch gelingt, mein denkendes Ich herauszuhalten aus dem globalen Desaster. Ich muss mich vernetzen, das ist klar.

Die Commons-Bewegung setzt alle Hoffnung auf zivilgesellschaftliche Kooperation bei der Produktion und Verteilung von Waren und Wissen, gemeinfreie knowledge commons, Wissensallmenden wie Wikipedia. Nicht mehr repräsentative Gipfeldiplomatie, sondern breiter demokratischer Dialog und Vernetzung sollen die Welt vor ökologischen Katastrophen und sozialer Spaltung in Superreiche und Massenarmut retten. Die Menschheit soll eine transglobale, große Familie werden, die gemeinsam die geschaffenen Werte – Wissen, Kunst, Geschichte, Kultur – und die natürlichen Ressourcen des Planeten – Fischbestände, fossile Energiequellen, Saatgut, Luft und Wasser – nach gemeinschaftlichen Grundsätzen nutzt.

Wenn es neuerlich darum geht, gemeinsam zum Weg der Humanität zurückzufinden, dann sollte man vielleicht als Erstes anerkennen, dass es im Grunde genommen keine Welt bzw. keinen Ort gibt, an dem wir im Sinne von Hausherren vollständig „zuhause“ sind. Das Eigene tritt immer gleichzeitig mit dem Fremden auf. Letzteres kommt nicht von woanders her. Es geht immerfort aus einer ursprünglichen, unüberwindlichen Spaltung hervor, die wiederum Abstand und Aneignung verlangt. Die Herkunft eines solchen kritischen Denkens, das sich indirekt auch in Bezug auf den Universalismus als fruchtbar erweisen könnte, verlangt offenkundig die Überwindung der radikalen Entgegensetzung von Eigenem und Fremden.

Davon abgesehen, ist das Menschsein des Menschen nicht vorgegeben. Es entwickelt sich im Zuge von Kämpfen und wird ihnen abgetrotzt. Heute besteht die Aufgabe darin, die Idee des moralischen Streiks in kulturelle Aktionen einzuschreiben, die imstande sind, einer direkten politischen Praxis den Boden zu bereiten, ohne die uns die Zukunft verschlossen bleiben wird.

Anstatt die Welt aus dem Schlamm zu ziehen, könnten wir in den Schlamm springen. Wir räumen ein, eine Wahl zu haben, um aus dem vergifteten Kokon der schönen Seele auszubrechen. Wir wählen und akzeptieren unseren Tod und die Sterblichkeit von Arten und Ökosystemen. Die äußerste Rationalität liegt darin, unseren Verstand für das absolut Unbekannte, das auf uns zukommt, offenzuhalten. Die Evolution wird nicht im Fernsehen übertragen. Es gibt kein Video über die eigene Auslöschung. Wenn wir diese Hinnahme ästhetisieren, gelangen wir zum Faschismus, zum Todeskult. Stattdessen ist die ökologische Kritik dazu angehalten, die Ästhetik zu politisieren. Wir haben diesen vergifteten Boden gewählt. Wir werden dieser sinnlosen Wirklichkeit entsprechen. Ökologie kann es ohne Natur geben. Aber es gibt sie nicht ohne uns.

Wenn die Afrikaner aufstehen und gehen wollen, müssen sie früher oder später woandershin blicken als nach Europa. Europa ist zwar keine untergehende Welt. Aber es ist müde und repräsentiert mittlerweile eine Welt nachlassender Lebenskraft und purpurner Sonnenuntergänge. Sein Geist hat an Gehalt verloren, extreme Formen des Pessimismus, des Nihilismus und der Leichtfertigkeit haben ihn aufgerieben. Afrika sollte seinen Blick auf etwas Neues richten. Es sollte die Bühne betreten und zum ersten Mal tun, was früher nicht möglich gewesen ist.

 

Irgendwo in Europa

 

Musik zwei, drei

Wenn man’s lieber lauter mag, kann man es vielleicht auch einfach so sagen. Oder so ähnlich.

 

Quellen:
Beatrix Langner: Die 7 größten Irrtümer über Frauen, die denken, Berlin 2017
Timothy Morton: Ökologie ohne Natur, Berlin 2016 (dt. Ausgabe)
Achille Mbembe: Ausgang aus der langen Nacht, Berlin 2016 (dt. Ausgabe)