„Lange Zeit bin ich früh schlafen gegangen.“ Mit diesem Satz macht sich Proust bekanntlich auf die Suche nach der verlorenen Zeit. Manchmal versuche ich das auch. Zumindest gehe ich heutzutage manchmal früh zu Bett. Damit der erste Schritt schon einmal getan ist. Allein, wer früh zwischen seinen Laken liegt, kann sich trefflich länger darin wälzen. Und kaum ist der Schlaf dann – endlich! – da, weckt einen schon der Deutschlandfunk mit einer ganzen Liste schlechter Nachrichten.

Zum Beispiel mit dieser: Kim Jong Un hat eine Rakete starten lassen, die nach nordkoreanisch propagandistischer Aussage jedes Ziel in den USA erreichen kann. Na Prima.

Weiter geht’s mit Russen auf der Krim und der Diskriminierung der dort noch ansässigen Ukrainer und ihrer Sprache. Sergej, ein russischer Politikstudent findet: „Das ist eine Kunstsprache. Das Ukrainische hat der Menschheit nichts gebracht.“

Und dann zurück nach Hause: Hier rügt Angela Merkel zwar den Glyphosat-Minister Schmidt, weil er in Brüssel gegen jede Abmachung und seinen ausdrücklichen Auftrag für die Verlängerung der Zulassung des Pestizids gestimmt hat; entlassen will sie ihn aber nur deshalb wohl nicht gleich. Zumal sich auch die CSU hinter ihren höchsten Landwirtschafts-Lobbyisten stellt.

Na toll. Danke dafür, Deutschlandfunk! Wäre ich bei Radio eins geblieben, hätte mich stattdessen vielleicht Morrisseys sei-gut-gut-zu-dir-selbst-Liedchen „Spend the day in bed“ wachgekitzelt. Dann hätte ich mich mit einem beschwingten „no bus, no boss, no rain, no train“ auf den Lippen in Bad oder Küche begeben und mich unter Umständen daran erinnert, irgendwo gelesen zu haben, dass der alternde Narziss sich auf seinem ansonsten wohl eher unbedeutenden neuen Longplayer dezidiert Israel freundlich äußern soll. Und das in Zeiten, da BDS die britische Kulturszene zu beherrschen scheint! BTW: Ein anderes popkulturelles Urgestein, Nick Cave, spielt gegen diese ungute Hegemonie sogar Solikonzerte in Tel Aviv. Was zeigt, dass man mit der Wahl seiner Helden nicht immer falsch gelegen hat.

Dann aber wäre mit der morgendlichen privaten Presserundschau die ganze gute Laune doch schnell wieder futsch gewesen. Spätestens in der Süddeutschen wäre ich darauf gestoßen worden, dass Steven Patrick M. heute ganz zum traurigen Verschwörungstheoretiker geworden ist und mit seinem Apell „Stop watching the news!“ dieser Tage eben doch vor allem sich selbst und seinen verbliebenen Rest-Ruf schützen will. Wer so viel dummes Zeug von sich gibt, muss halt wenigstens schauen, dass dann nicht auch noch schwarz auf weiß irgendwo nachzulesen ist, wie traurig es um seine Einstellungen mittlerweile bestellt ist. Schade.

Anschließend geht es gleich weiter mit der Medienkritik. Ein Artikel im Freitag enttarnt die Funke-Mediengruppe als Zombiemacher. Ihr Vorgehen sei es, den Zeitungsmarkt zu entkernen und hinter der Fassade regionalen Blattmachens lokale Redaktionen aufzulösen und Journalisten in Arbeitslosig- respektive Selbständigkeit zu entlassen. Das beschriebene Konzept, immer flächendeckender mehr vom Selben anbieten zu wollen und weniger für dessen Erstellung zu zahlen jedenfalls, liegt ganz im Trend der Zeit.

Interessant aber ist, dass diese Story ausgerechnet im Freitag erschienen ist, der ja selbst seit dem Gerangel um Chefredaktion und Herausgeberschaft krisenhaft angezählt scheint. Auf die Idee, ein sich selbst so nennendes linkes Meinungsmedium durch die Zusammenarbeit mit einem wohl doch eher rechten Populisten nach vorn bringen zu wollen, kann nur ein Verleger kommen, der generell denkt, im Zweifel sei links da, wo er es haben möchte. Daran, dass selbiger Verleger nicht ohne Grund auf der 2012er Liste der weltweit wirkungsmächtigsten Verbreiter antisemitischen Gedankenguts gestanden hat, will sich dem Anschein nach heute auch niemand mehr wirklich erinnern.

Aber wie bereits erwähnt: Links und antisemitisch droht eine immer beliebtere Kombination in allen möglichen Diskursen zu werden. Womit tatsächlich zu fragen wäre, wie weit eine Krise der Linken noch gehen und wo links denn nun tatsächlich noch sein kann.