Wie um sich an den auf die Arbeit im Inneren des Kopfes und ihre Wechselwirkungen mit der Außenwelt in der Sphäre des Textes abzielenden Beobachtungen des Rainald Goetz wiederum abzuarbeiten, bemüht sich derzeit die betuliche Tante ZEIT um Gedanken und Einsichten zum Thema Sprache und Sprachentwicklung – und erhebt Forderungen, wie sie vor Verarmung zu schützen seien. Offeriert wird eine groß angelegte Deutsch-Stilkunde, die anhand von Beispielhaftem aus der Feder großer Meister den Blick für Einsatz und Umgang mit sprachlichen Gebilden schärfen soll. Unterrichtsstunden für die Leserschaft.

Nur schade, dass gleich im Einleitungstext schon klar wird, worum es geht: reflexhafte Abwehr von Übergriffen des Fremden, Verstümmelten und Nichtverstandenen. „Vier Entwicklungen vor allem [!] müssen [!!] jedem Freund der Sprache [!] Sorgen machen“, nämlich erstens – logisch – Wortschwund und Wortverfälschungen; zweitens: „Mail, Blog, Tweet, Chat“ und überhaupt das Internet, die in ihrer geballten Gesamtheit „die Zahl der geschriebenen Wörter“ dramatisch vermehren (und dabei schon keine Zusammenhänge aus Worten mehr bilden), die Sorgfalt im Umgang mit ihnen aber dramatisch einschränken; drittens – jetzt wird das ganze erwartungsgemäß ortsüblich reaktionär – der „Siegeszug der Unsinnigen unter den Anglizismen“; und viertens – last not least und die gefährlichste aller Bedrohungen – das „Kiezdeutsch“.

Sicherlich richtig ist, dass die Sprache als übersubjektiver Gesamtzusammenhang nicht sich selbst entwickelt, sondern im ständig statthabenden Vollzug entwickelt wird: „mit allem, was wir sagen oder nicht sagen, schreiben oder nicht schreiben – [und von mir aus] manchmal sogar von einer einzelnen Person: Bismarck hat der Deutschen Reichspost nicht weniger als 760 Eindeutschungen aufgenötigt.“ Also los geht es: Bitte alle ab sofort verantwortungsvoll mitentwickeln, die ZEIT turnt vor.

Aber egal, wie erlesen die Beispiele sein mögen, die zur Schulung des Auges und des Geistes an Meisterlichem dann im Einzelnen angeboten werden: Zweiundvierzig Jahre nach der Vertreibung des Autors von seiner Position im Diskurs derartig bieder an „Prozeduren der Ausschließung“ (Foucault) zu arbeiten, wirkt doch sowohl hilflos als auch verstaubt. Schule eben, Frontalunterrichtssystem.